Ärger, und wie man damit besser umgeht ...

Auf der Häufigkeitsskala unserer negativen Gefühle nimmt Ärger eine hohe Position ein. Wir alle haben Erwartungen, Wünsche, gar Sehnsüchte und solange diese sich nicht erfüllen, wird alles, was nicht dazu passt oder was dem entgegensteht, als Hindernis, als unnütz, als kontraproduktiv, als Rückschlag empfunden, dem wir uns widersetzen möchten. Wir ärgern uns dabei manchmal über uns selbst, meist jedoch über andere.

 

Daneben haben wir vielleicht Überzeugungen, Glaubenssätze, wie etwas zu sein hat, um von uns als „richtig“ eingestuft zu werden. Wenn etwas für uns nicht richtig ist, ärgert es uns. Wir wollen etwas anderes nicht wahrhaben. Oft wollen wir die gute alte Zeit zurück. Veränderungen sind uns ein Greuel.  Die anderen sollen sich verändern, damit unser Weltbild wieder stimmig ist.  Wenn nichts passiert und das ist meist der Fall, hält der Ärger an.

 

Er kann sich in Wut steigern bis wir „explodieren“ und mit irgendwelchen, meist irrationalen Reaktionen die Veränderung erzwingen wollen. Im günstigsten Fall führt das zu allgemeinem Gelächter, wenn man die Irrationalität und darin die Komik erkennt. Das entschärft, ändert jedoch auch nichts, außer dass eine Situation deeskaliert und wieder erträglich wird. Bis zum nächsten Mal. 

 

Oder der Ärger ergreift auch andere Bereiche unseres Lebens, er überstrahlt die positiven Aspekte und wir landen in Weltschmerz und Depression. Das Ergebnis ist das Gleiche, nichts ändert sich, nur wir fühlen uns hoffnungslos schlecht. Unser Gemüt wird krank.

 

Manchmal ärgern wir uns sogar darüber, dass wir uns ärgern, weil wir merken, dass sich dadurch nichts ändert und nur wir selbst unter einer Situation leiden. Vielleicht beschließen wir dann, uns in Zukunft nicht mehr zu ärgern. Trotzdem verfallen wir immer wieder in dieses Verhaltensmuster, vielleicht etwas seltener, wenn wir uns unsere Entscheidung, sich nicht mehr zu ärgern, wieder in Erinnerung rufen.

 

Wenn wir dann den Ärger „runterschlucken“, ihn nicht rauslassen, geht es uns aber auch nicht besser. Manche Menschen werden auch davon krank. Der ungelöste, innere Konflikt zwischen Ist und Soll zeigt Wirkung im Außen. Der Körper reagiert dann mit Schmerz, meist an seiner schwächsten Stelle. Das kann der Magen, der Rücken oder auch die Haut sein.

 

Ärger entsteht also aus vielerlei Gründen. Wenn man möchte, kann man sich den ganzen Tag mit Ärger beschäftigen und dabei vergessen, zu leben.

 

Warum ist das so? Was steckt dahinter?

 

Aktive und passive Kritik- und Konfliktfähigkeit wird uns selten in die Wiege gelegt, wir müssen es im Laufe des Lebens lernen. 

 

Wenn die Ursache ein innerer Konflikt ist, liegt der Schlüssel in der Bewertung der beiden sich scheinbar widersprechenden Betrachtungsweisen. Wenn es uns also gelingt, scheinbare Widersprüche „unter einen Hut“ zu bekommen, löst sich Ärger auf oder er entsteht erst gar nicht. Ansonsten ist Ärger ein Ruf nach Veränderung.

 

Wir sind meist der Meinung, dass sich die Umstände ändern müssen. Die „Soll-Vorstellung“ soll bitte zur „Ist-Vorstellung“ werden. Die Umstände sind dann in der Regel mit Personen verknüpft. Die anderen sollen sich ändern. Wir sind im Recht, die anderen sind im Unrecht.

 

Weil wir ja im Recht sind, gibt es für uns keinen Grund, etwas an unserer Meinung zu ändern. Es kommt zu einer klassischen Patt-Situation, keiner will nachgeben, nichts ändert sich, der Ärger bleibt.

 

Es geht aber – wenn wir ehrlich sind – nicht ums Recht haben, sondern ums Wohlfühlen. Nur wenige Menschen habe Freude an Zank und Streit. Hier wird es schwieriger, sie brauchen noch die Erfahrung, dass ehrliche Freude aus einem selbst kommt und nicht aus dem Triumph über andere. Es geht auch nicht um Nachgeben, obwohl das auch eine Option sein kann, wenn man durch neue Informationen überzeugt wird, die eigene Perspektive zu wechseln. Leben und Leben lassen schafft für alle die besten Voraussetzungen zum sich wohlfühlen.

 

Vielleicht ahnt der eine oder andere hier schon, in welche Richtung man schauen muss, um etwas zu verändern. Das Außen spiegelt uns nur unser Inneres. Jeder äußere Konflikt ist nur eine Reflexion dessen, was sich in unseren Gedanken abspielt und was wir so nach Außen tragen.

 

Konfrontation führt zu Konfrontation, Sturheit zu Sturheit und Intoleranz zu Intoleranz. Offenheit führt zu Offenheit, Flexibilität zu Flexibilität und Verständnis führt zu Verständnis.

 

"15 Sekunden ärgern" ist OK, das ist ein Reflex. Alles darüber hinaus ist schädlich, denn negative Reaktionen aufgrund von Ärger, egal ob nach innen oder nach außen, engen ein und nehmen Lernchancen, für alle Beteiligten. Positive Reaktionen öffnen und bringen uns und alle anderen weiter.

 

Versuchen wir es deshalb mal mit Verständnis und Akzeptanz, uns selbst gegenüber und auch für andere. Es geschehen „Wunder“. Eine freundliche Reaktion wirkt oft genug verblüffend. Man erwartet sie i.d.R. nicht. Damit lässt sich oft schon „das Eis brechen“. Vielleicht lasen sich so nicht alle Probleme der Welt lösen, unser Wohlbefinden ist in jedem Fall gesteigert.

 

Wichtig ist es, authentisch zu sein, nicht aufgesetzt. Das erfordert eine Vorbereitung. Man stellt sich die Frage: Welche Perspektive oder Meinung ist noch möglich? Meist gibt es mehr als nur eine Alternative. Es geht nicht darum, eine andere Meinung zu übernehmen. Sie zu erkennen, sie für möglich und akzeptabel zu halten, dämpft schon den Ärger. Je häufiger man dieses Vorgehen praktiziert, desto einfacher wird es. Irgendwann erinnert man sich nur noch mit schmunzeln an sein altes Verhaltensmuster, bei jeder Gelegenheit „aus der Hose“ zu springen.

 

Was bedeutet das nun im Alltag?

 

Wenn das Kinderzimmer oder der Kleiderschrank nicht aufgeräumt ist, fehlt vielleicht die Einstellung, dass eine Struktur effektiver ist als das Chaos. Alternativ kann dahinter jedoch auch die Einstellung stehen, dass das Chaos kreativer ist als die Ordnung. Auch die Erfahrung, dass Mutter ja immer aufräumt und man selbst nur darauf warten muss, ist möglich. Alle Perspektiven sind gültig, wenn auch nicht immer von uns bevorzugt. Akzeptanz dessen schafft einen freien Kopf für „Lösungen“ statt sich zu ärgern.

 

Ein Stau auf der Autobahn – natürlich immer dann, wenn man es eilig hat – entspricht nicht unseren Wünschen. Die Erwartung von „immer freie Fahrt“ ist heutzutage bei zunehmendem Verkehr mehr als optimistisch. Die Erinnerung an frühere Zeiten, in denen das anders war, erweckt Wehmut. Die Akzeptanz des Ist, als das Ergebnis vom Zusammenspiel vieler Faktoren, die zum Stau geführt und auf die wir keinen Einfluss haben, ist die Voraussetzung, Ärger zu vermeiden. Alternativ darf man nur mitten in der Nacht auf die Autobahn und selbst dann kann ein Unfall einen Stau verursachen.

 

Ein lauter Nachbar ist unerfreulich und erzeugt Ärger, wenn man Ruhe haben möchte. Meist unterstellen wir dabei Ignoranz oder gar „böse Absichten“. Kommunikation mit dem Nachbarn könnte das klären, allerdings nicht mit einem Schwall von Vorwürfen (aus Ärger), sondern mit offenen, sachlichen Fragen, ohne Zynismus und geprägt von Verständnis für die Bedürfnisse des Nachbarn. Auf dieser Basis kann man zu Vereinbarungen kommen, die beiden Seiten gerecht werden. Selbst ein tragfähiger Kompromiss ist besser als eine verfahrene Situation, oder gar der Auszug, weil man es nicht mehr erträgt.

 

Eine versaute Mathearbeit, unangemessene Kritik, ein geplatztes Geschäft, eine gescheiterte Beziehung, ein verlorener Job sind oft Anlass für Selbstzweifel, es sei denn, man glaubt, dass nur andere daran schuld waren. Auch dieser Ärger bzw. dieses Unbehagen entsteht durch unsere Bewertung einer Situation. Es gibt immer auch noch andere Perspektiven und somit andere Bewertungen, die genauso richtig sind oder zumindest sein können.

 

Eine als „unzureichend“ bewertete Leistung zeigt uns Verbesserungsmöglichkeiten. Als erwachsener Mensch erfahren wir dadurch etwas über die Erwartungen von anderen und können reflektieren, ob wir ihnen entsprechen möchten oder lieber nicht.

 

Jede Kritik enthält auch eine Chance. Wenn wir sie nicht direkt verärgert zurückweisen, sondern uns für das Feedback bedanken (das heißt nicht zwingend auch anerkennen) gewinnen wir Zeit zum Nachdenken. Worauf basiert die Kritik? Liegen ihr vollständige Informationen zugrunde? Ist ein anderer Glaubenssatz damit verbunden? Diese Fragen helfen zu verstehen. Unsere Reaktion fällt danach sicherlich sachlicher aus. Man kann nachfragen, klären und so haben beide Seiten die Chance, etwas daraus zu lernen.

 

Eine Scheidung oder Trennung schafft Raum für neue Erfahrungen und die Umsetzung der Erfahrungen aus der gescheiterten Beziehung. Wahrscheinlich war nicht alles nur schlecht und wenn doch, dann ist auch das eine Erfahrung, für die man eigentlich dankbar sein kann. Sie hat uns neue Einsichten vermittelt, die wir im Hier und Jetzt umsetzen können.

 

Arbeitslosigkeit gibt uns die Möglichkeit, aus gewohnten Bahnen auszubrechen und Neues zu probieren. Mit der dann gewonnenen Flexibilität gibt es die Chance zu einem mehr erfülltem Leben, wenn man nicht zwanghaft an Status und Besitzstand festhält. Eine Beschränkung kann gleichzeitig auch eine Ausweitung des persönlichen Wohlgefühls bedeuten, wenn man das erlaubt. Die Überprüfung alter Glaubenssätze trägt dazu bei.

 

 

Ärger, Wut und Zorn machen hässlich, sagt der Volksmund. Wer ist aber schon gerne hässlich? Entscheiden wir uns gegen den Ärger, müssen wir vorher akzeptieren, dass der Grund immer in Bewertungen liegt, die nicht allgemein gelten und deshalb auch anders getroffen werden können. Perspektivenwechsel und Offenheit für andere Meinungen ist dabei enorm hilfreich.

 

Auch wenn wir durch den Ärger anderer betroffen oder ihm ausgesetzt sind, ist es die beste Strategie, darauf einzugehen, und die Situation zu klären, anstatt mit allem was wir haben dagegen zu halten.

 

In jeder Minute, die du im Ärger verbringst,
versäumst du sechzig glückliche Sekunden deines Lebens.
Albert Schweitzer
 

 


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