Die Michael Teachings, aber auch viele andere philosophische und esoterische Lehren, beschäftigen sich mit unserem „Sein“, das sich im Selbstverständnis aber auch in der Beziehung zu anderen ausdrückt.
Mir geht es hier um eine Betrachtung des "Ich" und "Wir" vor dem Hintergrund der Seelenalter..
Wer oder was bin ich? Wer gehört zu mir? Wo stehe ich in der Gesellschaft? Welchen Status habe ich bei meinen Mitschülern,
Arbeitskollegen und Freunden? Die persönlichen Antworten auf diese Fragen bestimmen unser Miteinander.
Identifikation bedeutet gleichsetzen, als gleich ansehen. Dahinter steht ein Vergleich mit dem „Ich“. Ist jemand so wie ich? Entspricht ein Weltbild dem meinen? Daraus wird klar, dass Identifikation keine Konstante ist. Wenn sich in meinem Selbstverständnis oder in meiner Weltanschauung etwas ändert, ist automatisch meine Identifikation mit betroffen.
Auch die umgekehrte Situation ist möglich. Wenn ich von der Persönlichkeit eines anderen Menschen oder einer Lehre berührt bin, wenn ich darin ein Vorbild sehe, mich also damit identifizieren möchte, dann können sich meine Glaubenssätze und damit meine Identität verändern, ich sehe mich selbst und/oder meine Ziele in einer anderen Perspektive und gleichfalls auch mein Umfeld.
Wenn es ein "Wir" gibt ist damit automatisch auch ein "Nicht-Wir" oder "Ihr" verbunden. Das Wir-Gefühl grenzt
aus.
Bei der Betrachtung der seelischen Entwicklung über die Seelenalter fällt auf, dass mit jedem Übergang ein Wechsel in der Betonung des „Ich“ und des „Wir“ verbunden ist. Verwischt wird dieser Zusammenhang allerdings durch die unterschiedlich verlaufende Manifestation des Seelenalters und die „Hürden“ der internen Monaden. Dennoch kann man eine Tendenz feststellen, besonders, wenn man die gerade genannten Nebenbedingungen beachtet.
Diese Tendenz ist erkennbar, auch wenn der
Stellenwert von "Ich" und "Wir" immer wieder wechselt.Sie ist nicht
linear, eher wie ein Bogen. Die Notwendigkeit zur Ausgrenzung, also die Unterscheidung zwischen "Ich", "Wir" und "Ihr", steigt zunächst an, erreicht im jungen Seelenalter ihren Höhepunkt und
fällt dann wieder ab.
Betrachten wir in diesem Zusammenhang die Seelenalter mal im Einzelnen:
Die neugeborene Seele hat zunächst ihren Fokus ausschließlich auf dem „Ich“. Es geht im Kern um das „am Leben bleiben“, der
Selbsterhaltungstrieb nimmt keine Rücksicht auf andere, sie sind „nützlich“ und werden daher benutzt, so wie man auch den eigenen Arm benutzt. Es gibt kein "Wir" und kein "Ihr", nur "Ich" und die
anderen "Ich"
Die kindliche Seele entdeckt das "Du". Es wird in der Folge unterschieden zwischen "Wir und "Ihr". Das „Wir“ wird aus einer
neuen Perspektive betrachtet. Man ist von anderen abhängig und das Wir-Gefühl vermittelt Sicherheit, das erfordert Anpassung, das „Ich“ tritt in den Hintergrund. Man will dazugehören. Wer sich
jedoch dagegenstellt, oder aus der Reihe tanzt, wird als "Ihr" ausgegrenzt oder gar unterdrückt, notfalls auch mit Gewalt. Gerade an Schulen kann man das beobachten, aber auch am Arbeitsplatz,
Sichwort "Mobbing"..
Die junge Seele sieht in allen anderen zunächst den Konkurrenten. Das "Ich" dominiert. Selbstbehauptung schließt Ablehnung für alles, was hinderlich ist und alle, die gegen einen sind, ein. Wir-Gefühl wird nur für diejenigen empfunden, die zu einem „gehören“, die mit an einem Strang ziehen und die einen fördern. Aber auch nur solange, wie diese Bedingung erfüllt ist. „Wenn Du nicht für mich bist, bist Du gegen mich.“ Andersartigkeit wird bekämpft, weil es als feindlich empfunden wird. Klassenkeile und Raufereien, Intrigen und Wettbewerb in der Schule und am Arbeitsplatz, sind ebenso Phänomene des jungen Seelenalters, wie Bürgerkrieg, bewaffneter Aufstand, Terror und Aggressivität in der Welt. Das hier noch völlig fehlende Bewusstsein von der Ewigkeit der Existenz, führt zu Ungeduld, Zwang und Auseinandersetzung. Man hat ja nur dieses eine Leben, um seine Ziele zu erreichen.
Erwachsene Seelen beginnen, sich näher mit der Andersartigkeit auseinander zu setzen. Das fällt zunächst schwer. Beziehungen der verschiedensten Art werden geknüpft und auch wieder aufgegeben. Man erkennt aber neben den Nachteilen erstmals auch die Vorteile des „anders sein“. Man kann sich ergänzen, voneinander lernen, sich miteinander begeistern, ohne sich vollständig miteinander zu identifizieren, und sich gegenseitig unterstützen in Bereichen, die unterschiedlicher Stärken bedürfen. Nähe und Ferne wechseln stark ab. Aus dem Spannungsfeld zwischen „Ich“ und „Wir“ ergeben sich viele Wir-Gruppen: Wir als Paar, in der Familie, in der Klasse 10b, im Sportverein, im gleichen Alter, in der Religion, in den Interessen, in der politischen Einstellung, etc.. Es mündet in einer Akzeptanz von anderen mit Einschränkungen.
Die viel ältere Lehrerin widment sich mit viel Engagement der Entwicklung ihrer Schüler, ihre Klasse spielt jedoch in ihrem privaten Umfeld keine wichtige Rolle. Der jüngere Arbeitskollege mit den vielen Tattoos wird im Team geschätzt, trotzdem wird er nicht zur Geburtstagsfeier eingeladen. Der Sportkamerad mit der anderen politischen Gesinnung kann im Verein Freund sein, bei der Wahl jedoch ein Gegner.
Identifikation, Wertschätzung und Wir-Gefühl findet auf vielen Ebenen statt, ohne dass dadurch Abhängigkeiten entstehen müssen. Das Ego ist immer präsent, das Bedürfnis nach Integration wächst jedoch. Widerstand, z. B. gegen Umweltsünder, Menschenrechtsverletzer etc, richtet sich auf dieser Bewusstseinsstufe gegen die Sache, nicht gegen die Person. Es gibt keine Straßenschlachten sondern friedliche Demonstrationen und Aufrufe, Petitionen zu unterzeichnen.
Für die alte Seele rückt das „Ich“ wieder mehr in den Vordergrund. Sie lernt, dass „anders sein“ nur eine andere Facette des
Selbst ist, dass jede Form von Andersartigkeit dazu gehört und daher nicht verzichtbar ist oder gar bekämpft werden muss. Es wächst wieder das Bewusstsein vom „Einssein“: „Ich“ und alle anderen
Formen von „Ich“. Was beim Neugeborenen noch intuitiv empfunden wurde, ist für die alte Seele das Ergebnis eines Reifeprozesses. Viele Erfahrungen haben dazu beigetragen.
Man nimmt Anteil am Geschehen der Welt, ohne Partei zu ergreifen. Man akzeptiert auch „Ungeliebtes“ als notwendig, bei sich selbst und auch bei anderen. Wertungen, Beurteilungen und Ausgrenzungen verlieren ihren Sinn, weil man die vorherigen Seelenaltersstufen integriert und daraus Verständnis für Entwicklungsschritte der anderen gewonnen hat.
Die Erkenntnis, dass der Kampf gegen etwas oder die Unterdrückung von persönlichen Überzeugungen – egal was es ist – anderen Lernchancen nimmt, führt zum Lebensmotto: „Leben und leben lassen“. Der Einfluss der alten Seelen beschränkt sich so auf Vorbildfunktion und Begleitung durch Lenkung der Aufmerksamkeit von anderen, ohne Vorschriften zu machen, ohne einzugreifen und ohne andere zu belehren.
Die alte Seele hat jedoch das ganze Verhaltensrepertoire aller vorherigen Seelenalter zur Verfügung. Sie weiß, dass sie
andere nur erreichen kann, wenn sie sich ihrer „Sprache“ bedient und sich auf deren „Schwingungsniveau“ begibt. Das ist immer nur „abwärts“ (nicht wertend gemeint) möglich. Wohlwollen und
Verständnis sind die beste Voraussetzung für eine Gemeinschaft, in der jeder seinen Part spielen darf. Dennoch muss auch die alte Seele noch lernen, dass die wichtigste Voraussetzung für die
Akzeptanz von anderen in der Akzeptanz des Selbst liegt. Mangelnde Selbstliebe und damit verbunden auch Depression und
Selbstkarma, führen manchmal zu Isolation. Auch die alte Seele darf und soll ihren Part spielen. Dazu
gehört die Interaktion mit anderen auf Augenhöhe, selbstbewusst, aber nicht herabschauend und nicht überheblich. Das ist die Kunst.
Wahre Transzendenz ist meiner Meinung nach – entgegen vielen esoterischen Lehren – dem Bewusstsein jenseits körperlicher Existenz vorbehalten. Alle Anstrengungen zur Transzendenz während einer Inkarnation widersprechen für mich dem Sinn der Inkarnation, die auf körperliche Erfahrung ausgerichtet ist und nicht auf Flucht aus der dualen Erlebniswelt. Wie in allen anderen Seelenaltern, ist jedoch auch in der siebten Stufe der alten Seele ein „Ausblick“ auf das nächste Seelenalter möglich.
Die Inkarnation eines Repräsentanten der transzendenten Seele ist die Ausnahme. Durch ihr Wirken werden gesellschaftliche
Veränderungen beim globalen Übergang von einem Seelenalter zum nächsten angestoßen. Am Beispiel Mahatma Gandhi kann man erkennen, dass Akzeptanz und Gewaltlosigkeit Erfolg haben können, auch wenn
dieses Bewusstsein noch nicht in allen Menschen gereift ist.
Die Botschaften von Repräsentanten der infiniten Seele während einer Inkarnation, spiegeln das Bewusstsein des „Einssein“
als Denkanstoß für diejenigen, die es verstehen. Das ist jedoch oft falsch verstanden, fehlinterpretiert und missbraucht worden, entsprechend dem jeweiligen Zeitgeist. Die Synthese dieser
Botschaften ist für mich klar.
Was uns heute durch Quellen von der kausalen Ebene vermittelt wird, ist daher eigentlich nur eine „Auffrischung“, eine Erinnerung an diese Synthese, die den Menschen schon vor langer Zeit offenbart wurde. Jede Zeit braucht ihre Anstöße, im Zeitverlauf der Geschichte wiederholt sich alles, entsprechend dem kosmischen Gesetz der Schwingung.
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